Montag, 29. Februar 2016

Excellente Eminenz oder eminente Excellenz

Noch einmal hat Rom, äh: hat Müller gesprochen: Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene dürfe es nicht geben. Die Lehre Jesu Christi könne nicht zur Disposition gestellt werden, denn "Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen", einen Kompromiss könne es nicht geben. Ja, hm, so einfach ist das für ein einfaches, um nicht zu sagen: fundamentalistisches Gemüt. [Fundstelle]

Müller wird bei seiner Linie bleiben, und die weißgewandete Heiligkeit im Hintergrund, die ihn in sein Amt berufen hat (ihn, der als Bischof von Regensburg nicht unwesentliche Probleme mit seinen "Schäfchen" hatte), trägt daran Mitschuld. 

Zu gleicher Zeit wird Pell, dritter in der Hierarchie des Vatikans, via Videoschalte (weil nicht reisefähig) von der australischen Missbrauchskommission vernommen. Er räumt enorme Fehler ein, das schon, aber er wird sie beichten und Vergebung "erlangen" und dann weiterhin die Messe "feiern" und die Kommunion "empfangen", usw. usf.  [Fundstelle]

Und Franziskus, dem von Müller immerhin Charisma attestiert wird, feiert sein Jahr der Barmherzigkeit. Nichts Wesentliches habe sich geändert, meint Müller, der Papst sei ganz auf der Linie seiner Vorgänger. 

Der Leser reibt sich, wieder einmal, verwundert die Äugelein.





Sonntag, 28. Februar 2016

Roma locuta

Roma locuta ... Der oberste Glaubenshüter Müller hat gesprochen, in Köln, bei einer Tagung der Gemeinschaft Communio e Liberazione. Hat gesprochen und hat Stellung bezogen zu dem kleinen Disput zwischen den Bischöfen Voderholzer und Oster und den Freiburger Theologieprofessoren Eberhard Schockenhoff und Magnus Striet.

Das Lehramt der Theologen stehe nicht auf der gleichen Ebene wie das der Bischöfe, sagte er. Das Lehramt der Bischöfe und des Papstes sei unmittelbar von Christus eingesetzt. Und dies könne nicht auf der gleichen Ebene stehen wie menschliche Vernunft. Theologen widersprächen sich dramatisch oft und seien nicht besonders konsensfähig. [Fundstelle]

... causa finita? Das wird sich zeigen. 

Müller denkt immer noch in den Kategorien von gestern. Dass das Lehramt im Sinne von Müller von Christus eingesetzt sei, wage ich zu bezweifeln. Wenn überhaupt, dann hat Jesus "eingesetzt", ich wüsste aber nicht, wo er förmlich den Aposteln die Fähigkeit und die Vollmacht übertragen hätte, seine Worte und seine Lehre zu interpretieren und vor allem "rein zu erhalten". "Christus" ist ein nachösterliches Attribut.

Paulus hat ganz offensichtlich ein Lehramt ausgeübt, aber er war gewiss nicht "von Christus eingesetzt". Er hatte ein mystisches Erlebnis, auf Grund dessen er vom Verfolger und Christenhasser zum Prediger und Lehrer geworden ist.

Dass Theologen sich manchmal widersprechen, spricht im Grunde für sie. Auch Bischöfe haben einander schon widersprochen. Aber die nicht konformen, renitenten Glaubenseiferer hat man dann schnell exkommuniziert, und die Sache war, scheinbar, erledigt. Und hat oft und oft zu schmerzlichen Schismen geführt. Oder man hat sie der Tortur und der Hinrichtung überantwortet. Ich frage mich, ob das etwa nach dem Geschmack eines Kardinals Müller sein könnte ...

Sancta simplicitas.









Freitag, 26. Februar 2016

Gloria in excelsis

Gloria in excelsis Deo? Nein, nicht dies. Sondern Gloria, die Kirchenmesse. In Augsburg. Und dann: Nochmals nein, kein Gottesdienst im hohen Dom, sondern eine Messe zum Verkauf von Dingen, die in Kirchen benötigt werden von heizbaren Sitzpolstern bis zu geschnitzten Heiligenfiguren aus Südtirol, nicht zu vergessen die Paramente. Die vor allem. Also doch: Alles zur höheren Ehre Gottes? [Fundstelle]

Ja, vielleicht. Kommt halt darauf an, was man unter "Ehre Gottes" verstehen mag. Im Rahmenprogramm jedenfalls sind Vorzeigechristen präsent. Berufsmäßige, wie es scheint. Zuvörderst aber geht es ums Geschäftemachen und um Profit. Ein Rückgang der Zahl der Aussteller wird beklagt.
(Nein, wie später verlautbart wird, zur Kirchenmesse seien mehr Besucher gekommen als zuletzt[Tweet])

Ob man das als "gutes Zeichen" werten darf? Wird das Brimborium allmählich kleiner, braucht man nicht mehr so viel Kostümierung? Weniger Bischofskäppis, sprich: Mitren, Bischofs- und Messgewänder, Devotionalien aller Art? 

Ich fürchte, nein. So weit sind wir noch lange nicht. Es wird noch viel Wasser den Tiber oder den Lech hinunterfließen, bis die Würdenträger auf ihre Kostümierung verzichten werden. Falls überhaupt.










Überfluß

Meister Eckehart lehrt, dass wir nichts anderes als das Überfließen Gottes sind. Das, was überfließt, unterscheidet sich nicht von dem, was drinnen ist. 'Sein Gebären ist (zugleich) sein Innebleiben, ist sein Ausgebären. Es bleibt immer das Eine, das in sich selber quillt. Ego, das Wort 'Ich', ist niemandem eigen als Gott allein in seiner Einheit.'

[Willigis Jäger. In jedem Jetzt ist Ewigkeit]





Donnerstag, 25. Februar 2016

Spotlight

Wiederkehrende Hinweise auf den neuen Film Spotlight [Tweet] haben mich wieder auf einen Gedanken gebracht, den ich schon längere Zeit mit mir trage:

Die Kirche betet im Gottesdienst das "Große Glaubensbekenntnis". Wäre es nicht an der Zeit, zusätzlich auch ein "Großes Schuldbekenntnis" zu beten?

Nicht nur das kleine, auf die Einzelperson bezogene, Confiteor, sondern ein umfassendes, großes Schuldbekenntnis.

Wir, die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Kirche, haben in den vielen Jahrhunderten der Geschichte große Schuld auf uns geladen. Wir haben großes Leid über viele Menschen gebracht, haben sie geknechtet, erniedrigt, gequält, verfolgt, ermordet, geschändet und missbraucht ... Wir haben sie der Zwangsbekehrung unterworfen, haben sie als Ketzer gebrandmarkt oder als Hexen verbrannt, haben sie eingekerkert und mundtot gemacht. Wir haben vielen Menschen schwere Lasten aufgebürdet, die wir selbst nicht tragen können ...

So ein Schuldbekenntnis müsste zwar nicht in jedem einzelnen Gottesdienst gesprochen werden, aber der Papst müsste dies einmal vor der Weltöffentlichkeit tun, und in einer jährlichen Bußfeier sollte es wiederholt werden. Die Glaubwürdigkeit der Kirche insgesamt würde keinen Schaden nehmen, ganz im Gegenteil. 

Practise, what you preach!





Keine Religion?

Der Mystiker lebt in einer ganz natürlichen, wesenhaften Verbindung mit Gott. Er braucht im Grunde keine Religion als Rück-Bindung (re-ligio) an das Göttliche. Er braucht kein Gebet als Wortbrücke zu Gott, keinen Sakralbau als Ort der Begegnung mit ihm, keine Lehre, um von Gott zu wissen und an ihn zu glauben, und keine Gebote, um gottgemäß zu handeln. Er lehnt all dies aber auch nicht ab.

[Willigis Jäger, a.a.O.]




      

Mittwoch, 24. Februar 2016

Lehre und Erfahrung

Die Bischöfe seien kein Rechtgläubigkeits-TÜV, sagt Bischof Overbeck aus Essen, sie seien Partner im Dialog der Wahrheitsfindung. So eine Mitteilung auf katholisch.de.

Das klingt sehr gut. Denn Bischof Voderholzer aus Regensburg hatte zuvor gefordert, das Lehramt habe das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, ob eine bestimmte theologische Lehre noch mit der Lehre der Schrift und der Tradition übereinstimmt.

Im Grunde müsste sich die Bischofskonferenz als ganze mit diesem grundsätzlichen Thema befassen und versuchen, eine Lockerung ihrer bisher sehr starren Auffassung von "Lehre" als unverrückbarem Glaubensgut einzuleiten. 

Das wird nicht einfach sein und wird nicht schnell gehen. Aber ein Anfang muss gemacht werden, wenn die Kirche nicht nur von ihren "treuen Schäfchen", sondern auch von anderen ernst genommen werden will.

Mehr noch. Die Kirche dürfte sich nicht nur der "Reinhaltung der Lehre" verpflichtet fühlen, müsste also die Fixierung auf ihre rein kognitive Position aufgeben, um wieder ein Ort der Gotteserfahrung werden zu können.




Dienstag, 23. Februar 2016

Exklusiv

Die katholische Kirche versteht sich ihrer Bezeichnung nach als allumfassend. Also als eher einschließend statt ausschließend.

Betrachtet man die Situation näher, dann zeigt sich:

- Priester dürfen nur Männer sein, nicht aber Frauen.
- Querdenker werden exkommuniziert oder mundtot gemacht.
- Wer nicht alles bis zum letzten Buchstaben glaubt, wird als Ketzer gesehen.
- Wiederverheiratete Geschiedene sind nicht zur Kommunion zugelassen.
- Extra ecclesiam salus non est. Außerhalb der Kirche kein Heil. Dogma!

Das ist zugegebenermaßen verkürzt und holzschnittartig formuliert, zeigt aber, dass die Kirche sich statt inclusiv doch eher exclusiv verhält. Ganz anders, als Jesus selbst gesprochen und gehandelt hat.





Montag, 22. Februar 2016

Anpassung an die Realität

Der achzigjährige Arnold Angenendt, lange Jahre Professor für Kirchengeschichte in Münster, fordert, die katholische Kirche müsse ihre Lehren zu Ehe und Sexualität an die Realität anpassen. Das gelte auch für den Zölibat. Er fordert dringend, auch verheiratete Männer zu Priestern zu weihen und schließt auch eine Weihe von Frauen nicht aus. [Deutschlandfunk]

Was ist etwa beim Thema Ehe vorstellbar? Angenendt schlägt zum Beispiel vor, die Verlobungszeit zu reaktivieren. Jene, die heiraten wollen, sollen erst mal einige Jahre zusammenleben und ausprobieren, ob sie zusammenpassen. 

Das sind neue Töne. Das neueste Buch von Angenendt "Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum", in dem er seine Vorstellungen ausführlich begründet, gehört in den Bücherschrank oder noch besser: auf den Schreibtisch jedes Kirchenmannes, jedes in der Amtshierarchie Verantwortlichen. Es müsste Pflichtlektüre für alle Theologen sein.





Sonntag, 21. Februar 2016

Wessen Leben?

Es ist nicht unser Leben, das wir leben. Es ist Gottes Leben.

[Willigis Jäger. a.a.O.]





Samstag, 20. Februar 2016

Gottesbild

In den Tweets unter @pontifex_de ist u.a. folgendes zu finden:

Durch die Heilige Pforte zu gehen heißt, die Tiefe der Barmherzigkeit des Vaters zu entdecken, der jeden persönlich sucht

Gott möchte unter seinen Kindern wohnen. Geben wir ihm Raum in unserem Herzen.

Gott ist verliebt in uns. Er macht sich klein; so hilft er uns, seiner Liebe zu antworten

Auf die Schwere der Sünde antwortet Gott mit der Fülle der Vergebung

Gott bevorzugt die Kleinen. Wenn wir bescheiden bleiben, verwandelt er unsere kleinen Bemühungen und macht daraus große Dinge.

Gottes Liebe ist kostenlos. Er verlangt nichts dafür; er bittet nur, ihn aufzunehmen.

Gott wartet immer auf uns, immer versteht er uns, er vergibt uns immer.

Der Herr wird nie müde, uns zu vergeben. Wir sind es, die müde werden, um Vergebung zu bitten.

Gott möchte unter seinen Kindern wohnen. Geben wir ihm Raum in unserem Herzen.

....

Was soll Otto Normalo damit anfangen? Es ist ein kindlicher Glaube, der hier zum Ausdruck kommt und vermittelt werden soll, und es ist ein anthropomorpher Gottesbegriff. 

Ich kann, nein: ich will mir nicht vorstellen, dass es sich um authentische Äußerungen des Papstes handelt. Wer aus seiner vatikanischen Behörde mag die Tweets geschrieben haben? Er tut dem Papst damit jedenfalls keinen Gefallen.
















Freitag, 19. Februar 2016

Spiritueller Weg

Ein spiritueller Weg lässt sich an jedem Ort leben. Er braucht keine Religion, kein Dogma, auch keine organisierte Gemeinschaft. Er braucht nur den Raum in der Seele.

[Willigis Jäger. In jedem Jetzt ist Ewigkeit]

Die Erfahrung des Mönchs und Zen-Meisters Willigis Jäger lässt möglicherweise die Befürchtung des Pastoraltheologen Haslinger in einem anderen Licht erscheinen. Haslinger beklagt den Zerfall gemeindlicher Strukturen. Auf Grund des Priestermangels würden immer mehr "Großgebilde - ob sie nun 'Seelsorgeeinheit', 'Pfarreiengemeinschaft', 'pastoraler Raum' oder sonstwie heißen ..." geschaffen, die aber nur auf dem Papier funktionieren. Das sei keine realitätstaugliche Konzeption. ... Die große Masse derjenigen Menschen werde ignoriert, die sich stillschweigend von der Kirche verabschieden. ...

[Fundstelle]

Vielleicht wird all das irgendwann schlicht und einfach obsolet sein?





Donnerstag, 18. Februar 2016

Leitsätze

Die Bischöfe haben bei ihrer jetzt zu Ende gegangenen Vollversammlung Leitsätze zur Flüchtlingsthematik verabschiedet. Schöne Sätze im Oberhirten-Sprech. Man hat, ziemlich pauschal, wie mir scheint, darauf hingewiesen, was schon alles getan wurde.

Warum haben die Bischöfe Deutschlands nicht ein starkes Signal gesetzt, indem sie etwa zusammengetragen hätten, was jede der 27 Diözesen, je nach Finanzkraft, zusätzlich an Mitteln für die Flüchtlinge aufbringen wird? Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kirche Deutschlands trotz abnehmender Mitgliederzahl zunehmende Steuereinnahmen vermeldet hat.

Im Blick auf die vom Bund aufzubringenden Milliarden-Summen wären das wohl nur wenige Millionen Euro gewesen. Aber die Signalwirkung in Richtung auf Unterstützung der Kanzlerin wäre immens gewesen.





Mittwoch, 17. Februar 2016

Ich-Bewußtsein

Das Ich-Bewusstsein gleicht einem Schatten, der meint, er verursache sich selbst.

[Willigis Jäger. In jedem Jetzt ist Ewigkeit]





Dienstag, 16. Februar 2016

Der Papst und die Frau

Wojtyla hat über viele Jahre hinweg, auch noch als Papst, eine intensive emotionale Beziehung zu einer verheirateten Frau gehabt. Der Zölibat sei nicht gebrochen worden, wird schnell versichert. [hier eine von vielen Fundstellen]

So schön, so gut. Warum soll ein Bischof oder ein Papst nicht eine (platonische) Beziehung leben? Ist das nicht fast unverzichtbar für das psychisch-emotionale Gleichgewicht?

Im Grunde: ja. Doch stellen sich einige Fragen:

1. Hat man diese Beziehung Wojtylas so lange geheim gehalten, um eine schnelle Heiligsprechung nicht zu gefährden? Wusste Ratzinger von der Sache?

2. Wo fängt der Zölibat an und wo hört er auf? Geht es dabei nur um genitale Sexualität? Der Zölibat wird u.a. damit begründet, dass der Zölibatäre sich in vollem Umfang Gott und seiner Gemeinde widmen kann. Wenn ich in einer Beziehung lebe, ist dies dann noch in dieser Weise gegeben? Falls nicht, welchen Sinn hat der Zölibat dann?

3. Sexualität beginnt nicht erst beim Genitalkontakt, sondern umfasst den ganzen Menschen. Müsste dann nicht der Zölibat neu definiert werden? Nein. Der Zölibat muss nicht neu definiert werden, er gehört abgeschafft. Es sei denn, ein Kleriker wählt ihn aus freien Stücken. Falls er psychisch wirklich reif ist und nicht aus Gründen der Weltflucht. [vgl. auch Ilse Sixt]

4. Hat Wojtyla mit zweierlei Maß gemessen? In dem Bericht wird die Frage gestellt, wie ein Mensch, der auf der einen Seite sehr offen war, zugleich sehr doktrinär und eng in seinen religiösen Ansichten sein konnte. Diese Spaltung bei Wojtyla hatte vor Jahren schon der Franziskaner Bühlmann beobachtet. Er hat sie mit der Herkunft des späteren Papstes erklärt, der bei aller sonstigen Weite versucht habe, der ganzen Kirche seinen engen polnischen Glauben überzustülpen.

Was immer noch ans Tageslicht kommen mag: Die Angelegenheit hat hoffentlich den guten Effekt, den überholten Zölibat zu hinterfragen und abzuschaffen. Auch dazu gibt es Stimmen, und dazu braucht man mutige Würdenträger. [Fundstelle]






Montag, 15. Februar 2016

Er und die Armen

Wenn ein Kardinal als Chef einer Diözese in Rom ein Gästehaus im Wert von 10 Millionen Euro besitzt und dann den Menschen droht, sie würden ihre Seele verlieren, wenn sie nicht an die Armen denken ...

soll man da nicht wütend werden?

[Tweet] und [Süddeutsche]




Erlösung

Erlösung ist Erfahrung der Einheit mit dem göttlichen Urgrund. Die Weisen dieser Erde, Jesus nicht ausgenommen, wollten in die Erfahrung dieser Einheit führen. Der Mensch aber sucht die Erlösung lieber außen. Er hat aus den Erfahrungen der Weisen Religionen gemacht, die ihre Stifter vergöttlichen. Es ist leichter, sich an einen anderen zu hängen, der es für einen selbst richtet. Dieses Schicksal ist allen Weisen widerfahren, die am Anfang einer Religion standen.

[Willgis Jäger.In jedem Jetzt ist Ewigkeit]





Sonntag, 14. Februar 2016

Ermahnungen

Der Papst scheut sich nicht, auf seiner Reise nach und in Mexico immer wieder Ermahnungen auszusprechen:

- Ich ermahne euch, nicht in jene Lähmung zu verfallen, die nur Standardantworten auf neue Fragen hat. [Tweet1]

- Mahnung an die Bischöfe: Das Land braucht keine Fürsten. [Tweet2]

Was Franziskus sagt, kann man nicht oft genug sagen, er hat ja so recht. Seine Adhortationes wären allerdings weitaus glaubwürdiger, wenn die Kirchenleitung selbst sie beherzigen würde.

Wenn nicht das sogenannte Lehramt auf neue Fragen immer nur alte Antworten geben würde mit Verweis auf wohlfeile Tradition und auf die Schrift usw. usf. Und wenn nicht die obersten Prälaten sich fürstlich-feudal, wie man es halt bei Signori abgeschaut hat, gebärdeten. 

Schade drum.






Samstag, 13. Februar 2016

Kyrill und Franziskus

Zwei Kirchenführer treffen sich auf dem Flughafen von Havanna. Weltweite Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss, denn seit dem Jahr 1054 ist es nicht mehr vorgekommen, dass der Pontifex des Katholizismus und der Patriarch von Moskau sich treffen. So tief war, nein: so tief ist die Spaltung. Was war geschehen?

Im griechisch-sprachigen byzantinischen Christentum gab es mehrere gleichberechtigte Zentren, weil eine Reihe von Orten ihre Tradition direkt auf die Missionierung durch Apostel zurückführen konnte. Im lateinischen Westen hingegen hatte nur Rom diesen unmittelbaren Bezug, und so konnte dort mehr und mehr der römische Primat etabliert werden. Die Bischöfe von Rom, die sogenannten Päpste, versuchten nach und nach ihre Jurisdiktion auch über byzantinisches Gebiet auszudehnen, was in letzter Konsequenz zum Schisma von 1054 führte.

Ein theologischer Streitpunkt zwischen römischem Katholizismus und Orthodoxie ist das sog. "Filioque", eine theologische Finesse in den Glaubensbekenntnissen der beiden Kirchen. Die Katholiken sagen, dass der Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, die Orthodoxie bevorzugt die Formulierung, dass der Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgehe, verzichtet also auf "filioque".
[Zum Weiterlesen.]

Ist es nicht schlichtweg lächerlich, dass man sich wegen solcher Spitzfindigkeiten in die Haare gerät bis hin zu einem tausend Jahre dauernden Schisma? Was können wir von Gott denn sagen? Nichts, absolut nichts. Will man doch etwas sagen, so neige ich persönlich der orthodoxen Auffassung zu. Gott ist der Urgrund von ALLEM, also geht alles aus ihm hervor, auch der Sohn ist aus ihm hervorgegangen ... genitum, non factum.

Das Beharren auf dem Primat dürfte die Hauptschwierigkeit sein, die überwunden werden muss, wenn man eine Einheit, in welcher Form auch immer, herbeiführen will. Wie will der Papst da herunterkommen? Doch, halt, man hat im Grunde schon eine Lösung, nämlich jene Formel, die im Blick auf die Protestanten angewandt wird: Versöhnte Verschiedenheit.

Vielleicht nehmen die Herrschaften ja auch zur Kenntnis, dass das Mittelalter schon vorbei ist. Dann löste sich manches (fast) von alleine.







Freitag, 12. Februar 2016

Du selbst

Ein Geschäftsmann wollte vom Meister wissen, was das Geheimnis eines erfolgreichen Lebens sei.
   Sagte der Meister: "Mach jeden Tag einen Menschen glücklich."
   Und er fügte als nachträglichen Gedanken hinzu: "... selbst wenn dieser Mensch du selbst bist."
   Nur wenig später sagte er: "Vor allem, wenn dieser Mensch du selbst bist."

[Anthony de Mello: Zeiten des Glücks]





Donnerstag, 11. Februar 2016

Der spirituelle Weg

Für den katholischen Laienbruder und Gelehrten Wayne Teasdale beginnt der spirituelle Weg im urtümlichen menschlichen Drang nach mystischer Vereinigung mit einer größeren, allumfassenden Wahrheit - einer Wahrheit, die die Menschen bereits suchten, als noch gar keine Religionen bestanden, die diese definierten. 'Das mystische Leben blühte bereits Tausende von Jahren, bevor sich die ersten Weltreligionen als soziale Organismen den Weg in die Geschichte bahnten'. 
Dieses mystische Streben nach einer Verbindung mit dem Göttlichen steht für Teasdale im Mittelpunkt jeden echten Glaubens und bildet den Kern aller Religionen. 'Die wahre Religion der Menschheit, so kann man sagen, ist die Spiritualität selbst, denn die mystische Spiritualität ist die Quelle aller Religionen der Welt.'

[nach Andres Newberg, Eugene d'Aquili, Vince Rause: Der gedachte Gott. Wie Glaube im Gehirn entsteht]






Mittwoch, 10. Februar 2016

Zum Aschermittwoch


Lirum, larum, Löffelstiel
Kleine Kinder essen viel
Große müssen fasten
Das Brot bleibt in dem Kasten
Das Messer liegt daneben
Was für ein lustig's Leben.

[aus einem Lesebuch der Nachkriegszeit]





Dienstag, 9. Februar 2016

Gott ist kein Diktator

Originalzitate [aus Spiegel 6/2016, S. 122 ff „Gott ist kein Diktator“], geringfügig modifiziert: „Islam“ wurde durch „Christentum“, „Muslim“ wurde durch „Christ“ und "Bibel" durch "Koran" ersetzt.


„Das Christentum braucht eine Reformation! Es ist eine Forderung, die genauso vage und tendenziell verkehrt ist wie die Formulierung „Das Christentum gehört zu Deutschland“. Welches Christentum denn? … Das liberale, das konservative, das praktizierte, das alltägliche, das widersprüchliche? Präziser wäre zu sagen: Die Christen gehören zu Deutschland, weil sie hier geboren sind, genauso wie Muslime, Atheisten zu Deutschland gehören. …
… es gibt Christen, die daran arbeiten, das Christentum zu verändern, Professoren, Autorinnen, Psychologen, Prediger, ganz normale Gläubige, sie sind dabei, das Christentum zeitgemäß zu deuten und zu leben, liberal, säkular, modern, wie immer man es nennen will. Die Erneuerung, die so oft gefordert wird, findet längst statt. …
Der Glaube ist dabei nicht das Problem; es ist der falsch verstandene, der verkürzte, der missbrauchte Glaube. …

Das Christentum ist, wie der Koran, voll von unklaren und widersprüchlichen Passagen. Der christliche Glaube war fast von Beginn an gespalten zwischen denen, die versuchen, das Christentum auch aus seiner Entstehung heraus zu verstehen, und denen, die das ganze Werk als eine heilige Wahrheit ansehen, unveränderlich für alle Zeiten. …
Wir Christen haben aufgehört, im Guten und ohne Tabus über den Glauben zu streiten. …
‚Gläubig ist jeder, der ein gutes Herz hat. Die Beziehung zwischen dem Christentum, mir und Gott ist direkt.‘ … Das ist es auch, was [XY] als Wesen des liberalen Christentums definiert – eine Frömmigkeit, die keine Autorität will und braucht, um die heilige Schrift zu lesen und zu verstehen. …
Das Christentum … sei über Jahrhunderte hinweg von Männern in patriarchalen Gesellschaften interpretiert worden. Bei etlichen Christen habe sich ein Religionsverständnis etabliert, das Frauen auf die Rolle als Mutter und Gattin reduziert. …

… richtig gedeutet … sei das Christentum nicht nur vereinbar mit Vernunft und Fortschritt, sondern schreibe sie sogar vor. …
Als Erstes … müsse der ‚religiöse Analphabetismus‘ unter Christen thematisiert werden. ‚Es gibt viele, die nicht wissen, dass ihre Religion anders ist‘, … Nicht patriarchal, nicht frauenfeindlich, nicht aggressiv. …
‚Wir brauchen Schulen, die kritisches Denken fördern', … 'und Schulen, die radikales Denken erkennen.‘  …

‚Wir wollen ein Ort sein für Christen und Nichtchristen‘ …
Reformanhänger … kämpfen an verschiedenen Fronten: Sie werden von konservativen Religionshütern aus dem Ausland unter Druck gesetzt, von älteren Gläubigen, denen der Wandel ihrer Gemeinde missfällt, …

Glaube und Zweifel, das sind die beiden Pfeiler dieser Veränderungen." Oder um einen Satz von Navid Kermani aus seiner Frankfurter Rede zu modifizieren [es wurde lediglich „Muslim“ mit „Christ“ und “Islam“ mit „Christentum“ übersetzt]: "Wer als Christ nicht mit dem Christentum hadere, ‚nicht an ihm zweifelt, nicht es kritisch befragt, der liebt das Christentum nicht‘.“









Montag, 8. Februar 2016

Das Licht

Ho trovato la luce
Oggi
Era venuta lontano
Dall'inizio del mondo
Meravigliosa e chiara
Mai l'aveva vista
Ma era sempre
Lì.

[A.P.]

Ich habe das Licht gefunden, heute
Es war von fern hergekommen
Vom Anfang der Welt
Wunderbar und klar
Nie hatte ich es gesehen,
Aber es war immer da.






Sonntag, 7. Februar 2016

Welche Religion?

Ich glaube, dass die Übung von Mitgefühl und Liebe - ein aufrichtiges Gefühl von Bruderschaft und Schwesterschaft - die allumfassende Religion ist. Es kommt nicht darauf an, ob Sie Buddhist, Christ, Moslem oder Hindu sind oder ob sie überhaupt eine Religion haben. Worauf es ankommt, ist Ihr Gefühl der Verbundenheit mit der Menschheit.

[Dalai Lama: Der Weg zum Glück]





Samstag, 6. Februar 2016

Spiritualität

Ein spiritueller Weg, der nicht in den Alltag führt, ist ein Irrweg.

[Willigis Jäger: In jedem Jetzt ist Ewigkeit]





Freitag, 5. Februar 2016

Obsolet

Ich glaube, es war der Film "Odyssee im Weltraum", von dem ich nur noch die Schlussszene und auch die nur vage in Erinnerung habe. Das Raumschiff ist leer, es sind keine Menschen mehr da, und doch startet es erneut und kehrt zurück in den Weltraum. Nur der kleine Gärtner-Roboter ist noch an Bord. Er watschelt mit seiner Gießkanne von Pflanze zu Pflanze und versorgt sie zuverlässig und sorgfältig mit dem notwendigen Wasser. So wurde er programmiert.

Die melancholisch anmutende Stimmung, das automatisch-fürsorgliche Bemühen des Roboters ist fast anrührend, vielleicht deswegen, weil es im Grunde sinnlos ist, denn es ist niemand mehr da, der sich an den Pflanzen erfreuen könnte.

Was ich damit sagen will? Ja, diese Szene erinnert mich an das Tun der Glaubensbehörde und der Funktionäre im Vatikan und anderswo. Alles funktioniert noch, jeder kommt den ihm zugewiesenen Aufgaben nach, alle sind sie eifrig bemüht. Aber wozu? Das Ganze ist obsolet geworden, die überlieferten Glaubenssätze haben den Menschen nichts mehr zu sagen, es ist, als ob man Hungrigen Steine statt Brot anbieten würde.

Was die Menschen suchen, ist persönliche Erfahrung und nicht Wiederkauen von Katechismus-"Wahrheiten". Die Menschen brauchen keinen Stellvertreter, sie wollen keinen "Vermittler", sondern sie suchen unmittelbaren Zugang zu Gott. Enomiya Lassalle und Willigis Jäger werden nicht müde, davon zu sprechen. Und alle die Mystiker wissen das schon lange.





Donnerstag, 4. Februar 2016

Aussendung

"Als die Jünger ausgesandt wurden, sollten sie einen Wanderstab mitnehmen. Der Tagessegen zu der Bedeutung des Stabes" ...
so heißt es in einem Tweet von heute auf katholisch.de.

Interessant. Hier stürzt man sich auf die Bedeutung des Stabes und ignoriert, dass den Jüngern noch mehr gesagt wurde, nämlich dass sie buchstäblich nichts mitnehmen sollten, nicht einmal Geld:

Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.
[Mk 6]

Und an anderer Stelle heißt es sogar:
Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es! Nehmt weder Gold noch Silber noch Kupfer in eure Gürtel, keine Tasche auf den Weg, auch nicht zwei Gewänder, weder Schuhe noch Stäbe; denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert.[Matth 10]

Man hat aus den Evangelien vieles herausgelesen und für sich oder mehr noch für andere in Anspruch genommen. Die Sache mit der Besitzlosigkeit hat die Kirche allerdings ignoriert, man hat das den Orden überlassen, und auch dort gilt Armut nur bedingt. Die Kirche selbst ist unermesslich reich geworden. Sogar der Zölibat wurde (auch?) deshalb gefordert, damit die Kirchengüter nicht vererbt werden konnten. 

Wasser predigen und Wein trinken?


















Mittwoch, 3. Februar 2016

Mystische Erfahrung

Alle, welche dich suchen, versuchen dich.
Und die, so dich finden, binden dich
an Bild und Gebärde.

Ich aber will dich begreifen
wie dich die Erde begreift.
Mit meinem Reifen 
reift dein Reich.

Ich will von dir keine Eitelkeit,
die dich beweist.
Ich weiß, dass die Zeit
anders heißt, als du.

Tu mir kein Wunder zulieb.
Gib deinen Gesetzen recht, 
die von Geschlecht zu Geschlecht
sichtbarer sind.

[Rainer Maria Rilke, 1901]





Dienstag, 2. Februar 2016

Einführung in Zen

Ein Gärtnermönch nahte sich einst dem Meister und suchte Einweihung in Zen. Der Meister sprach: "Komm wieder, wenn niemand in der Nähe ist, und ich werde dir sagen, was es ist." Am nächsten Tag ging der Mönch wieder zu dem Meister und als er sah, dass niemand zugegen war, flehte er ihn an, ihm das Geheimnis zu offenbaren. Der Meister sprach: "Komm näher an mich heran." Der Mönch näherte sich ihm, wie befohlen. Der Meister sprach: "Zen ist etwas, das nicht durch Worte vermittelt werden kann."

[Suzuki: Leben aus Zen]





Montag, 1. Februar 2016

Anathema sit

Nein, "anathema sit" wurde zu Willigis Jäger nicht gesagt, aber er wurde im Jahr 2002, im fünfzigsten Jahr seines Priesterjubiläums, von der römischen Glaubenskongregation unter Leitung von Ratzinger mit einem Rede-, Publikations- und Kursverbot belegt. Willigis Jäger ist Benediktinermönch und weltweit anerkannter Zen-Meister, Gründer von Fortbildungszentren in Würzburg und in Holzkirchen bei Würzburg.

In ihm sei weder Ärger noch Aggression gegen die  Glaubensbehörde in Rom, sagt er in einem Interview. "Ich empfinde lediglich Trauer darüber, dass so viele Menschen verunsichert worden sind. Dadurch wird der Kirche Schaden zugefügt. Und, offen gestanden, ich schäme mich, dass so etwas im 21. Jahrhundert noch möglich ist. Ich schäme mich der Institution meiner Kirche, die mir und anderen ein naives Glaubensverständnis aufzwingen will. Ich schäme mich vor allem vor meinen buddhistischen und hinduistischen Freunden, die nicht begreifen können, was das Verbot soll. ... 
Ich habe den Eindruck, dass es der Glaubenskongregation sehr um den Erhalt ihrer Macht geht ...
Manche Theologen werfen mir vor, meine Aussagen seien untheologisch, weil ich manchen Wahrheiten eine zeitgemäße Deutung zu geben versuche. Wer den Menschen von heute erreichen will, muss auch versuchen, seine Sprache zu sprechen. Ich habe die neueste theologische Literatur gründlich angeschaut. Die wesentlichen Fragen bleiben für mich unbefriedigend beantwortet. Sie unterscheiden sich nicht viel von den Antworten meines Katechismus, mit dem ich 1931 eingeschult worden bin. ..."

[Willigis Jäger: Aufbruch in ein neues Land]

Ich schäme mich auch.