Donnerstag, 31. Dezember 2015

Zuversicht

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
[Friedrich Bonhoeffer, 1944]

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Visionär

Walbert Bühlmann hatte eine Vision, und wie alle Visionäre war er seiner Zeit weit voraus:

Ich glaube, dass wir bei allem Trend zur Einheit im Wesentlichen, d.h. im Glauben an Jesus Christus und sein Evangelium ..., im Sekundären eine große Pluriformität nicht bloß tolerieren, sondern fördern sollen. Es gibt ja bereits zwei sehr verschiedene Kirchenmodelle. Die Ostkirchen, und ähnlich die Kirchen der Reformation, entwickelten mehr die Christologie und die Pneumatologie, wir in der katholischen Kirche mehr die Ekklesiologie. Jene befolgen mehr das Synodal- oder Kollegialprinzip, wir das monarchische Prinzip. Jene betonen mehr die Freiheit im Geiste, wir Autorität und Gehorsam. Wie es also bereits faktisch zwei sich ergänzende Kirchenmodelle gibt, so könnte und sollte es in Zukunft auch ein asiatisches, afrikanisches, lateinamerikanisches Kirchenmodell geben, und zusammen würden sie, wenn auch immer nur schwach, die Fülle des Kirche-Seins zum Ausdruck bringen.

[Walbert Bühlmann: Von der Kirche träumen]






Dienstag, 29. Dezember 2015

Absolutismus

Der Vatikan-Prälat Gänswein fordert das Limburger Domkapitel zum Rücktritt auf. Und dessen ehemaliger Bischof van Elst wird an herausgehobener Position im Vatikan beschäftigt. Man reibt sich verwundert die Augen.

Mit "Nebelkerze aus der Kurie" hat ein mutiger Mann, der Jesuit Klaus Mertes, eine Stellungnahme zu den Vorgängen tituliert. Und schreibt von "einer Kombination von Machtmissbrauch, Rechtsbruch und Lüge sowie ihre vergiftende Wirkung auf das Grundvertrauen innerhalb des Bistums." [Fundstelle]

"Die Gläubigen würden das nicht verstehen", hat der Vatikan früher gern argumentiert, wenn es darum ging, eine Position der Kurie auch gegen die öffentliche Meinung durchzusetzen. Die Gläubigen interessieren den Vatikan im vorliegenden Fall offenbar nicht. Man ist noch daran gewöhnt, "Roma lucuta, causa finita" zu sagen, und alles, alles ist schon wieder gut.

Nichts ist gut, so lange nicht im Vatikan eine andere Personalpolitik betrieben wird, solange überwiegend (oder: nur?) darauf geachtet wird, ob einer stromlinienförmig sich anpasst, nicht aufmuckt und vor allem, ob er rechtgläubig ist. Die Zeiten feudal-absolutistischen Herrschertums sind vorbei! Das wird man im Vatikan noch realisieren müssen.

Was treibt Gänswein um? Meint er, weil er Deutscher ist, müsse er einem deutschen geschassten Bischof zu Hilfe eilen? Oder will er seinem Ratzinger-Chef, der bei der Berufung von Tebartz sicherlich seine Hand im Spiele hatte, noch einen letzten Gefallen tun? Oder will man gar Franziskus als machtlose Marionette vorführen und damit seine Reformbestrebungen desavouieren? Was soll's? Vielleicht will er gar selbst Bischof in Limburg werden. ...Wundern würde mich gar nichts mehr. 












Montag, 28. Dezember 2015

Scholl-Latour

Peter Scholl-Latour bedauert die Veränderungen seit dem Vaticanum II:

Die neue Messe in der jeweiligen Landessprache war kaum noch wiederzuerkennen. Die schönsten Verse aus den Psalmen wurden gestrichen, und der Liturgie wurde allzu oft eine protestantische Kargheit auferlegt. Die bisherigen Fastenregeln, die ja wirklich keine übertriebene Anforderung an die Kasteiung der Gläubigen stellten, wurden im Zuge einer anpasserischen Toleranz aufgehoben. Dass der Priester nunmehr zur Gemeinde gewandt, statt in Richtung auf Gott und Jerusalem die Messe zelebrierte, widersprach jeder überlieferten Tradition. Eine Reihe von Pfaffen bemühte sich sogar, den Gottesdienst in ein fröhliches Musical, in ein Happening abzuwandeln, um den vermeintlichen Zeitgeist Rechnung zu tragen. In den Predigten war von Metaphysik und Jenseitigkeit kaum noch die Rede. ...

[Peter Scholl-Latour: Mein Leben]

Klar, Scholl-Latour hat das Recht auf seine Meinung. Und doch habe ich mich gewundert, von einem Mann seines Kalibers so etwas Rückwärtsgewandtes zu lesen.





Sonntag, 27. Dezember 2015

Familienidylle

Jesus hat seinen Eltern einiges zugemutet: Bleibt einfach in Jerusalem zurück und diskutiert mit den Theologen im Tempel und bringt sie zum Staunen. Seinen Eltern, die ihn tagelang suchten und sich ernsthaft Sorgen machten, gab er eine im Grunde ungehörige Antwort: Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?

Das ist mir heute erstmals in voller Tragweite bewusst geworden. Heute am Familiensonntag? Ja. Wollte mit meiner Frau an einem Gottesdienst teilnehmen, in einer wunderschönen Stiftskirche. Und siehe da: Es zieht mit einer großen Schar von Ministrantinnen ein Bischof ein. Mütze auf, Mütze ab, Mütze auf, Mütze ab, Herr Weihbischof hier, Herr Weihbischof da, so ging das dann die ganze Zeit. Die Predigt war mäßig, um nicht zu sagen schlecht. Die Kirche eiskalt.

So haben wir dann bald den Gottesdienst verlassen. Fluchtartig.





Samstag, 26. Dezember 2015

Predìgt

Zu Weihnachten sind die Kirchen voll, die Predigten aber langweilig, so ein Tweet von sz_magazin.

Ich finde, man soll an Weihnachten weder sich selbst noch andere überfordern. Das Fest ist einerseits überfrachtet, andererseits für viele Menschen inhaltsleer geworden. Und diesen Inhalt sollen nun andere liefern?

Das geht nicht.





Freitag, 25. Dezember 2015

Das Wort

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen ...

Ein wunderbarer Text der Weltliteratur, ein grandioser Aufriss, der in wenigen Sätzen die Schöpfungsgeschichte vom Big Bang bis heute erahnen lässt.

Nada Brahma sagt Joachim Ernst Behrendt: Die Welt ist Klang. Andere sprechen vom Klang der Stille. Es ist ein und dieselbe Erfahrung. Der Mensch hat immer davon gewusst, im Weltinnenraum.





Donnerstag, 24. Dezember 2015

Weihnacht

Gott ist Mensch geworden, in Bethlehem? Ja, in Bethlehem und überall sonst auf der Erde. Gott ist auch Pferd geworden und Nachtigall, Apfelbaum und Rose und Steinpilz und Elementarteilchen.

Gott ist in seiner Schöpfung präsent, hat sich in der Schöpfung inkarniert, aber er erschöpft sich nicht in ihr, er ist immanent und transzendent.

Er ist der Urgrund, aus dem alles kommt.





Mittwoch, 23. Dezember 2015

Zwei Facetten

Interessant: Der Moraltheologe Mieth sieht beim Papst eine Art Bruchlinie, so ähnlich wie ich sie auch empfinde. [Fundstelle]

Der Papst stößt vieles an, will Reformen, will Synodalität, setzt sich für Natur und Umwelt ein und scheut nicht klare Worte an die Verantwortlichen in und außerhalb der Kirche.

Und auf der anderen Seite ist er, so meine persönliche Wahrnehmung, sehr in seiner traditionellen Theologie verhaftet, fast meint man, die intensive jesuitische Schulung, die er genossen hat, spüren zu können. In seiner "Kirchentheologie" - die Kirche als Mutter - wirkt er durchaus traditionsverhaftet.

Mieth kann eine gewisse Skepsis nicht verhehlen: In der Summe, sagt er "... bin ich skeptisch. Wo sind die Optionsgrenzen dieses Papstes? Franziskus hat das Problem, Freiheit gewähren und gleichzeitig etwas durchsetzen zu wollen. ... Ich sehe einen Stilwechsel und eine Option für Kollegialität. Sicher, es ist etwas in Bewegung. Aber ich weiß nicht, wohin es führt."




Dienstag, 22. Dezember 2015

Eins nach dem anderen

"Auf die Schwere der Sünde antwortet Gott mit der Fülle der Vergebung."

So die Botschaft eines Tweets von pontifex_de vom 20. Dezember.

Eine zwar gut gemeinte und doch seltsame Botschaft, wie mir scheint. Zum einen ist "Sünde" die Lieblingsvokabel des Pontifex und sein bevorzugtes Thema. Zum anderen stimmt für mich die dahinterliegende Theologie nicht: Es ist doch nicht so, dass der Mensch zuerst sündigt (wie auch immer) und dass im Anschluss daran Gott kommt und ihm diese seine Sünde vergibt. 

Gott und Mensch sind keine getrennten Entitäten, Gott und seine Schöpfung sind EINS. 

Was noch auffällt: Der Papst spricht im Grunde nur von den Sünden der Menschen, die von der Kirche begangenen schweren Verfehlungen hingegen bleiben ausgeblendet. 





Montag, 21. Dezember 2015

Vogel, flieg!

Sollen sie einem leid tun, die hohen Prälaten im Vatikan und anderswo? Man hat sie danach ausgesucht, ob sie stromlinienförmig genug waren, hat sie gelehrt, am Status quo (sprich: an der sogenannten Tradition) festzuhalten, nach oben zu schielen, ob sie ihre Sache gut gemacht haben, sich anzupassen, Entscheidungen an die Zentrale zu delegieren ... (nicht alle haben so gehandelt, aber zu viele von ihnen)

Und nun kommt der neue Chef, Franziskus, und verlangt von ihnen das genaue Gegenteil: Nun sollen sie selbständig sein, sollen Iniative entwickeln und vor Ort entscheiden, was richtig und was falsch ist, was der konkreten Situation angemessen ist. Das verunsichert.

Der Papst tut genau das, was Vogeleltern nach Abschluss des Brutgeschäftes immer tun: Sie vertreiben die nun flügge gewordenen Jungen aus dem schützenden Nest, damit sie selber fliegen und sich mit Nahrung versorgen.

Die jungen Vögel lernen das sehr schnell, sie lieben die Freiheit. Die Prälaten werden es auch lernen.





Sonntag, 20. Dezember 2015

Hübsch

Aus einem spanischen Weihnachtslied:

Sopas le dieron al Nino
No se las quizo comer
Y como estaban tan dulces
Se las comiò San José.

Suppen gaben sie dem Jesuskind,
aber es wollte sie nicht essen.
Und weil sie so süß waren,
Aß sie der Heilige Josef.





Samstag, 19. Dezember 2015

Lang ist's her

Vor 600 Jahren (genau: am 6. Juli 1415) wurde er ermordet, der tschechische Reformator Jan Hus. Ermordet? Aber nein doch. Das Konzil von Konstanz hat ihn wegen einiger "Häresien" zum Tode verurteilt und standrechtlich hingerichtet.

Was hat er sich zu Schulden kommen lassen, der gefährliche Mann? Im Grunde nichts. Er hat lediglich der kirchlichen Obrigkeit einen Spiegel vorgehalten, hat zum Beispiel die Praxis der Simonie angeprangert, und war nicht bereit zu widerrufen. Ich kann seine Standfestigkeit nur bewundern.

Gab es je ein Wort des Bedauerns von seiten der Hierarchie? Nicht dass ich wüsste.





Freitag, 18. Dezember 2015

Einer gegen alle

Hans Küng ist mit dem Kopf gegen die Kurie angerannt und hat blaue Flecken davongetragen. Walbert Bühlmann hat sich im Kampf mit der Kurie eine blutige Nase geholt. Wie wird es dem Papst in der Auseinandersetzung mit seiner Kurie gehen?

Einer allein hat gegen den Monolithen namens Vatikan keine Chance. Nicht einmal Jesus, vor 2000 Jahren, konnte das religiöse Establishment in Israel verändern.

Verändern wird sich erst dann etwas, wenn der Aufbruch von innen kommt, wenn sich das neue Denken, von dem viele spirituelle Lehrer schreiben, Bahn bricht. 





Donnerstag, 17. Dezember 2015

Träumen oder Leiden?

Bin (wieder) auf das Buch "Von der Kirche träumen" von Walbert Bühlmann gestoßen. Eigentlich müsste der Titel "Von einer anderen Kirche träumen" lauten oder noch besser "An der Kirche leiden".

Bühlmann, geboren 1916, war Kapuziner aus der Schweiz, lange Zeit Missionar in Afrika, dann Dozent für Missionswissenschaft in Fribourg.

Er hält den Verantwortlichen in der Kirche einen Spiegel vor, gerät in scharfe Auseinandersetzungen mit der Kurie, spricht mir aus der Seele. Er ist in der Theologie bewandert, kennt die kirchlichen Strukturen von innen. Ich bin nur Laie, der die Dinge von außen sieht und der (immer noch, warum eigentlich?) an der Kirche leidet.

Ich werde auf das Buch von Bühlmann zurückkommen.





Mittwoch, 16. Dezember 2015

Gottes Wort

Auf Twitter findet sich unter vielem Geröll manchmal ein Edelstein:

"Das Evangelium ermutigt, macht frei, froh und stark. Wo Menschen religiös klein gehalten werden, da ist nicht Gottes-, sondern Menschenwort."

[Fundstelle]





Dienstag, 15. Dezember 2015

An wen glauben?

"Viele Menschen glauben heutzutage, dass sie Gott verworfen hätten, doch das ist nicht wahr. Sie haben nur den Gott verworfen, mit dem sie erzogen worden sind, und vielleicht bringt sie das wieder dazu, darüber nachzudenken, an welche Art von Gott sie glauben wollen."

[Wingate Paine: Der Weg zum Selbst. Gespräche mit dem unsichtbaren Freund Emanuel]





Sonntag, 13. Dezember 2015

Gaudete?

Auch der Papst spricht von Freude und mehr noch von der Barmherzigkeit Gottes. Doch zuvor muss der Mensch als Sünder apostrophiert, um nicht zu sagen: gebrandmarkt werden: Gott höre nicht auf, dem Sünder zu verzeihen, wiederholt er sinngemäß immer wieder. Der Mensch ist in Sünde geboren, nur Maria, die Mutter Jesu, sei von der Ursünde, Erbsünde genannt, ausgenommen (am 8. Dezember wurde ihr Fest gefeiert). Erbsünde? Was ist das? "Erbsünde wird als ein Schuldzusammenhang verstanden, in den alle Menschen hineingeboren werden. Heute wird diese gesellschaftlich interpretiert: Dem Hass, der Lüge und dem Egoismus dieser Welt kann sich niemand entziehen", sagt der Theologe Manfred Becker-Huberti.
[Fundstelle] Das klingt in meinen Ohren reichlich kryptisch. Gaudete?
Franziskus weiter: „Keine Kategorie von Menschen ist davon ausgeschlossen, den Weg der Umkehr zu gehen und das Heil zu erlangen, nicht einmal die Zöllner, die als Sünder schlechthin angesehen wurden“, erklärte Franziskus. [Fundstelle]
Woher das Insistieren des Pontifex auf der Situation der Sündhaftigkeit? Der Papst hat viele Facetten, ist neben vielem anderen ein Kind seiner ignatianischen Ausbildung. Und vielleicht spielt bei ihm, ohne dass es ihm bewusst ist, auch folgender Gedanke eine Rolle: Die Kirche versteht sich als Mittlerin der Versöhnung und Gnade, und Sünder sind auf diese Vermittlerrolle in besonderer Weise angewiesen. Die Kirche also als Instanz, die zwar von Barmherzigkeit spricht, aber auf ihrer Machtposition beharrt?






Gaudete

Mit "Gaudete!" ist der dritte Adventssonntag überschrieben. Freut euch! Und prompt stellt sich ein passender Zen-Tweet ein:
Make up your mind to rejoice in this paradise called life. ~ Lao Tzu







Samstag, 12. Dezember 2015

Zwei Päpste

Wer nahe genug dran war, in Rom, bei der Eröffnung der sogenannten heiligen Pforte, hat vielleicht hören können, ob die zwei Päpste sich etwa mit "Petri Heil!" begrüßt haben.

Aber nein. Schmarrn beiseite. Das war nur der Aufhänger für die Frage, warum wir zwei Päpste haben. Klar, einer der beiden ist emeritiert, der andere ist aktiv, aber es sind und bleiben zwei Päpste.

Der emeritierte Papst lebt sehr zurückgezogen im Vatikan, fast wie in einem Kokon, abgeschirmt von der Außenwelt, trägt aber nach wie vor sein weißes Gewand und bei Feierlichkeiten Festgewänder aus Brokat wie eh und je.

Warum kann ein Kleriker, sei er Papst oder Kardinal oder Bischof oder was auch immer, der sein Amt abgibt, nicht zurücktreten in die zweite oder dritte Reihe und sich wieder in das "gemeine Kirchenvolk", aus dem er ja stammt, einreihen? 

Offenbar geht das nicht, denn der Weihegrad bleibt ihm nach kirchlichem Verständnis erhalten. Die Weihe eines Amtsträgers hat etwas Verdinglichtes, das man handhaben, mit dem man hantieren kann. 

Doch handelt es sich dabei um magisches Denken, das endlich überwunden werden muss.





Freitag, 11. Dezember 2015

Barmherziger Gott

Wenn die Kirche barmherzig wäre, dann bräuchten wir kein Jahr der Barmherzigkeit. 

So lautete sinngemäß eine Nachricht, die ich auf Twitter erhalten habe, ihr ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Oder doch?

Wenn die Kirche in den vielen Jahrhunderten ihrer Geschichte nicht bevorzugt den gerechten, den rächenden, ja den eifersüchtigen Gott gepredigt hätte, sondern den barmherzigen Gott, dann bräuchte es kein besonderes Jahr der Barmherzigkeit, denn dann wäre jedes Jahr ein Jahr der Barmherzigkeit. 

Brauchen "wir" dieses jetzt begonnene Jahr der Barmherzigkeit? Nein, nicht zu den Konditionen der Kirche. Der Papst selbst ist es, der dieses Jahr "braucht". Vielleicht, weil er genügend Gespür dafür hat, was in der Kirche bisher falsch gelaufen ist? Vielleicht, weil er einen kräftigen Impuls erhofft für die überfälligen Reformen, die er schon angestoßen hat oder noch anstoßen will? Mag sein. 

Der Papst selbst sagte, die Kirche brauche ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit, weil sie in einer Epoche des tiefgreifenden Wandels in besonderer Weise aufgerufen sei, "sichtbar Zeugnis abzulegen für Anwesenheit und Nähe Gottes". [Fundstelle]

Was wir bräuchten, das ist ein Jahr des Schuldbekenntnisses. Die Kirche als Institution müsste endlich Abbitte leisten für das Unrecht, das sie vielen Menschen zugefügt hat (Zwangsbekehrungen, Schismen u.a.), für all das Leid (und die Angst), das von ihr im Laufe der Geschichte ausgegangen ist (Hexenverbrennungen, Inquisition), sie müsste um Vergebung bitten für die Verfolgungen, denen Menschen durch sie ausgesetzt waren und sind (zum Beispiel die sogenannten Häretiker). Das wäre, so scheint es mir, ein wirklicher Akt der Barmherzigkeit.

Die Welt würde aufhorchen. Himmel und Erde würden jauchzen und singen.





Donnerstag, 10. Dezember 2015

Reich Gottes

Das Reich Gottes braucht nicht vorangetrieben zu werden. Es dehnt sich mühelos aus ohne unsere ängstliche Mithilfe. Sei auf der Hut vor der Angst. Sie enthüllt deine Selbstsucht, oder nicht?

[in: Anthony de Mello: Warum der Vogel singt]





Mittwoch, 9. Dezember 2015

Double-bind

Die oberste Kirchenleitung taucht ein in die Barmherzigkeit, ruft sogar ein Jahr der Barmherzigkeit aus. Denn Gott ist der Barmherzige, und Jesus, sein Botschafter, hat uns das nahe gebracht.

Wer es aber mit den (von der Kirche gemachten) Dogmen zu tun bekommt, weil er zum Beispiel nach einer Scheidung wieder geheiratet hat, der bleibt im Dauerkonflikt. Er wird exkommuniziert, soll sich aber, bitteschön, nicht so fühlen, denn wir sind ja barmherzig, doch mit wirklicher Barmherzigkeit ist es hier sehr schnell vorbei.

Erinnert mich in fataler Weise an eine Double-bind Situation. Beziehungsfalle wird das auch genannt. Wirkt halt ziemlich verlogen.










Dienstag, 8. Dezember 2015

Heiliges Jahr

Heute hat es begonnen, das außerordentliche Heilige Jahr, das Jahr der Barmherzigkeit. Und die heilige Pforte wurde geöffnet, zuerst die in Rom, weitere werden folgen. Dem, der sie durchschreitet, ob mit oder ohne Eintrittskarte, soll ein Ablass auf seine Sündenstrafen zuteil werden. 

Luther würde dies wohl tolerieren, denn mit Ablass wird heute, wie es scheint, nicht mehr gehandelt.

Aber eine Verdinglichung und Verwaltung der göttlichen Gnadengaben steckt schon noch drin. Ganz hat sich magisches Denken noch nicht verflüchtigt.

Und warum eine heilige Pforte? Sie hat symbolischen Charakter, klar. Aber wenn nicht jede Pforte, jede Tür, wenn nicht alles heilig ist, dann mag man auf die heilige Pforte auch verzichten. Alles so zu behandeln, als wäre es heiliges Altargerät, das wäre gut. Folgten wir dem Aufruf von Anselm Grün, dann würden sich zum Beispiel die gravierenden Umweltprobleme lösen lassen, dann würde man bei den Klimaverhandlungen in Paris eine für alle Menschen gute Lösung finden.





Montag, 7. Dezember 2015

War da was?

Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, als hätten sie Angst davor, sie müssten Karl Marx heilig sprechen, wenn sie zugeben, dass er vielleicht mit der einen oder anderen Analyse nicht ganz so Unrecht gehabt haben könnte. Die Hierarchie hat sich schwer getan mit der Befreiungstheologie, weil diese eventuell von marxistischem Gedankengut hätte kontaminiert sein können. Und die Befreiungstheologen haben sich schwer getan mit den vatikanischen Glaubensbeamten. Sehr schwer sogar.

Und nun, so heißt es, soll erstmals der "Vater der Befreiungstheologie", der peruanische Dominikaner Gustavo Gutiérrez, bei einer offiziellen Pressekonferenz des heiligen Stuhles sprechen. 
[Fundstelle]

Im November hatte der Papst mit Jon Sobrino gesprochen und hat ihn ermutigt, sich nicht von der lehramtlichen Zensur einschüchtern zu lassen. Nach Leonardo Boff und Gustavo Gutiérrez ist er der dritte Befreiungstheologie, mit dem sich Franziskus getroffen hat. Dies mache deutlich, dass der Vatikan nach langen Jahren der Verunglimpfung und Ausgrenzung die Befreiungstheologie rehabilitiert habe.
[Fundstelle]

Es wäre längst an der Zeit, dass der Vatikan sich selbst befreit. Dass er sich frei macht von seinen starren Haltungen, seinem Glauben an dogmatische Spitzfindigkeiten, von der Unterstützung der Mächtigen. Mit Franziskus, der die Wirklichkeit der Armen kennt, hat diese Zeit wohl endlich begonnen. Dieser Papst ist dabei, den Vatikan und die hohen Prälaten vom Kopf auf die Füsse zu stellen.





Sonntag, 6. Dezember 2015

Die große Kluft

"Es geht nicht darum, dass wir immer zu 100 Prozent alles wissen, zu 100 Prozent gläubig sind", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Wochenende in München. "Wer kann das sein?" Es gehe vielmehr darum, dass die Sehnsucht nach dem Glauben niemals aufhöre, "dass wir Ausschau halten".
[Fundstelle]
Sehnsucht nach dem Glauben, wie denn das? Geht es nicht vielmehr um die Sehnsucht nach Gott? 

Stellt man dem gegenüber, was Reinhard Körner über das Beten und Glauben sagt, dann wird die große Kluft deutlich, die den Kardinal und den Karmeliter trennt:
Inneres Beten heißt: sich zu Gott hinwenden von Ich zu Du, „an Gott denken“, sich seine Gegenwart bewusst machen, zu Gott „du“ sagen und dieses „du, Gott …“ auch wirklich meinen.
Inneres Beten hat keine Methode, die man erlernen müsste. Inneres Beten ist selbst die „Methode“, die einzige und allein notwendige, die man „können“ muss, um im eigentlichen Sinne ein glaubender Mensch zu sein – ein „von innen her“ glaubender Mensch, worauf Jesus so viel Wert legte. Es ist etwas ganz einfaches. Jeder kann es (schon).



Samstag, 5. Dezember 2015

Beten

Der Karmelit P. Reinhard Körner zitiert Edith Stein:

„Wo nur Gebetsworte gesprochen werden, ohne dass der Geist sich zu Gott erhebt, da liegt nur dem äußeren Scheine nach, nicht in Wahrheit ein Gebet vor.“

„Ein Mensch kann dogmenfest sein, ohne gläubig zu sein, d. h. ohne den religiösen Grundakt einmal vollzogen zu haben, geschweige denn, darin zu leben. Er kann im Sinne der Dogmen sein Leben führen, ohne aus dem Glauben zu leben. Seine Werke können durchaus korrekt sein, aber sie sind nicht wahrhaft um Gottes willen getan und können auch nicht vor Gott wohlgefällig sein.“

[in: Reinhard Körner OCD: Inneres Beten. Der kleine Schritt in einen lebendigen Glauben]






Freitag, 4. Dezember 2015

Scheuklappen, was denn sonst?

Den Scheuklappen-Katholizismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Das schreibt Andreas Püttmann über die (Nicht-)Berichterstattung zur Wahl des neuen Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
[Fundstelle]

Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Außer dass katholische Laien mindestens so verbohrt wenn nicht noch verbohrter als die hohen Prälaten sein können. Die Herrschaften sollten sich die Einlassungen des früheren ZdK-Präsidenten Alois Glück zu Gemüte führen.
[s. auch]





Donnerstag, 3. Dezember 2015

Zielstrebig

Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das scheint die bewusste oder unbewusste Strategie des Papstes zu sein. Er argumentiert mit Barmherzigkeit, immer wieder, wer wollte ihm das verübeln. In der Barmherzigkeit werde die mütterliche Dimension Gottes sichtbar.

Die Kirche falle manchmal in Versuchung, eine harte Linie zu fahren und nur die moralischen Normen zu betonen, sagt er. Die Welt müsse aber entdecken, dass Verurteilung nicht der Weg ist.
[Fundstelle]

Zum Verhältnis Katholizismus/Protestantismus sagte er: Wir beten zusammen, wir arbeiten zusammen für die Bedürftigen, wir sind in brüderlicher Liebe verbunden. Aber wir sind getrennt, weil Eure dogmatischen Bücher das Eine sagen und unsere das Andere. Doch einer Eurer großen Theologen hat einmal gesagt, es sei Zeit für 'versöhnte Verschiedenheit'. Bitten wir um die Gnade solch einer 'versöhnten Verschiedenheit.
[Fundstelle]

Das sind neue, ungewohnte Töne von einem katholischen Kirchenoberhaupt. Er beharrt nicht auf Suprematie und verzichtet auf Besserwisserei. Er öffnet Türen, die lange verschlossen waren.





Dienstag, 1. Dezember 2015

Alle Jahre wieder

Wen hat sie nicht schon heimgesucht, die alljährlich anstehende Weihnachtsfeier. Viele nehmen sie einem Artikel in der Zeit zu Folge als lästige Pflicht wahr. Man kann sich ihr kaum entziehen, wenn man nicht als unkollegial erscheinen will. Die Chefs sehen sie als Möglichkeit, die Motivation der Mitarbeiter zu steigern.

"G'soffen hamma", sagte mir vor Jahren eine Frau über die Weihnachtsfeier in ihrer Firma, sie führte gerade ihren Hund im Englischen Garten Gassi. Ich selbst erinnere mich an einen alkoholisierten Kollegen, der bei der feierlichen Ansprache des obersten Chefs eingeschlafen und fast vom Stuhl gefallen ist. Usw. usf.

Weihnachten? Mit Weihnachten hat das absolut nichts zu tun.






Wann kommt der Nikolaus?

Santa Claus comes down the chimney ... so haben wir es vor Jahren im Englisch-Unterricht gelernt. Damals gab es ihn noch, den heiligen Nikolaus, ehe dann aus den USA der Weihnachtsmann herübergeschwappt ist und die dann immer mehr überhand nehmende Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes eingeleitet und eingeläutet hat. Seither klettern sie an vielen Hauswänden hoch, immer noch und immer wieder, die Weihnachtsmann-attrappen. Lichtinstallationen überfluten Häuser und Gärten und überziehen das Christfest mit kaum erträglichem Firnis aus kaltem LED-Licht.

Zu klagen bringt nichts, das alles ist ein Symptom für den Zustand unserer Gesellschaft, die so gern als christlich apostrophiert wird. Die Kirchen haben viel von ihrer spirituellen Kraft verloren, sie können dem nicht wirklich etwas entgegensetzen.